Was ist Black Dandyism?
Black Dandyism erobert das Bild von Eleganz und Mode als Akt des Widerstands zurück – insbesondere in Kontexten, in denen Schwarze Körper stereotypisiert, entwertet oder aus gängigen Vorstellungen von Kultiviertheit ausgeschlossen wurden. Es handelt sich um eine modische Revolution – eine, die durch Selbstausdruck ermächtigt und aktiv die Narrative Schwarzer Identitäten durch Erinnerung, Widerstand und Neudefinition verändert.
In maßgeschneiderten Anzügen, scharf genug, um koloniale Lügen zu zerschneiden, in akkurat geneigten Melonenhüten, die das Gewicht weißer Vorherrschaft herausfordern, und in sorgfältig gewählten Seidenstoffen, die in der Sprache der Ahnen sprechen, haben Schwarze Dandys seit jeher eine Revolution getragen – nicht im Flüsterton, sondern in Samt und Satin.
Von den gepuderten Perücken des Julius Soubise im Großbritannien des 18. Jahrhunderts bis hin zum geschlechterübergreifenden Stil kongolesischer Sapeurs von heute: Black Dandyism ist keine bloße Ästhetik – es ist eine Philosophie. Eine Erklärung. Ein Spiegel, der sich gegen das Imperiale System richtet, und eine Ode an Erscheinung, Macht und Haltung.
Julius Soubise in 18th-century Britain

The Duchess of Queensberry and Soubise

Eine radikale Linie der Eleganz
Während europäischer Dandyismus oft Elitismus und ästhetische Distanz zementierte, verwandelt der Black Dandyism Eleganz in Subversion – eine Herausforderung an die Geschichte, die Schwarzes Leben ausradieren oder deformieren wollte.
Bereits im 18. Jahrhundert trugen afro-diasporische Männer wie Ignatius Sancho und Olaudah Equiano aristokratische Kleidung nicht zur Nachahmung, sondern als Manifest: für Intellekt, für Menschlichkeit, für Geschichtlichkeit. Julius Soubise stellte mit extravaganten Posen und fechterischer Anmut die Codes des georgianischen Englands auf den Kopf. Mit jedem Auftritt wurde ein Widerspruch sichtbar: Wie konnte ein Mann afrikanischer Herkunft so aussehen – es sei denn, die Geschichte, die man über ihn erzählte, war falsch? Auch auf karibischen Plantagen eigneten sich versklavte Afrikaner*innen die ihnen aufgezwungene Kleidung an, um daraus einen Ausdruck eigener Würde zu schaffen. Diese kreativen Akte des Aneignens und Umdeutens, Neuinterpretieren begründeten eine ästhetische Form des Widerstands, deren Nachhall die gesamte Diaspora durchzieht.
Ignatius Sancho (1768)

Olaudah Equiano (1789)

W.E.B. Du Bois (1919)

Harlem: Vergoldeter Aufstand als Selbstbehauptung
In den 1920er Jahren fand Dandyism in Harlem eine neue Ausdrucksform. Die Harlem Renaissance war nicht nur eine literarisch-künstlerische Blütezeit – sie war auch eine modische Rebellion. W. E. B. Du Bois trug Dreiteiler und Zwicker nicht zur Anpassung, sondern als Strategie: Er war ein intellektueller Dandy – in Eleganz gehüllter Widerspruch.
Frauen prägten die Harlem Renaissance maßgeblich. Eine herausragende Figur war Josephine Baker (1906–1975), deren Wirkung weit über die Bühne hinausreichte. Sie war nicht nur eine bahnbrechende Performerin, sondern auch Widerstandskämpferin, Bürgerrechtsaktivistin und kulturelle Ikone, die die Grenzen von Kunst, Politik und Identität neu definierte.
Auch die queere Schwarze Community Harlems – Gladys Bentley im Frack und Zylinder, Ma Rainey mit ihren Sappho-haltigen Bluesliedern – verwandelte Mode in eine Sprache der Freiheit. Queerness wurde nicht verborgen, sondern getragen. In verrauchten Speakeasies und Ballroom-Häusern wurde Black Dandyism fluide, feminin und furchtlos.
Josephine Baker (1925-26)

Josephine Baker Paris (1926)

Josephine Baker (1949)

Gladys Bentley (1930)

Ma Rainey & Jazzband (1923)

La SAPE: Von Kongo und Couture
Im Herzen Zentralafrikas definiert La SAPE (La Société des Ambianceurs et des Personnes Élégantes) Dandyismus in postkolonialem Licht neu. Unter der Schreckensherrschaft des belgischen Kolonialismus entstanden, kehrten kongolesische Männer das Narrativ um. Die Anzüge, die ihnen zur „Zivilisierung“ aufgezwungen wurden, wurden zur Waffe der Würde. Eleganz wurde zum Akt des Widerstands.
In den 1980er Jahren brachte Papa Wemba, musikalischer Visionär und kultureller Revolutionär, La SAPE auf die Weltbühne. Zwischen Kinshasa und Paris verband er mit jedem Seidenschal Vergangenheit und Zukunft. Der Sapeur flaniert nicht für die Mode – sondern für das kulturelle Erbe.
Zeitgenössische Dandys, zeitlose Rebellion
Im 21. Jahrhundert lebt und verändert sich der Black Dandyism weiter. Dapper Dan, geboren in Harlem, nähte subversive Botschaften in Gucci-Imitate und kollaborierte später mit der Marke – eine poetische Gerechtigkeit, die den Kreis zwischen kultureller Aneignung und kultureller Macht schloss.
Künstler*innen wie André 3000 und Janelle Monáe tragen den Staffelstab weiter – in afrofuturistischen Styles und genderüberwindenden Smokings. Ihre Mode sagt: Wir lassen uns nicht von euren Binaritäten, euren Vergangenheiten oder eurem Mitleid binden.
An dieser Stelle verweisen wir auf unser Interview mit den Afropunk Dandies von Art Comes First – einem Kollektiv, das mit seiner stilprägenden Handschrift und kulturellen Vision die zeitgenössische Männermode neu definiert – Stilvisionäre, die nicht nur eine Ära prägen, sondern mit Nadel und Haltung eine ganze Bewegung neu entwerfen.
La SAPE

Dapper Dan

Janelle Monáe (2016)

Mehr als Stil: Eine Strategie des Überlebens
Black Dandyism als „nur Mode“ zu bezeichnen, hieße, sein Herz zu überhören. Es ist eine codierte Sprache des Widerstands, eine Strategie der Selbstbestimmung, eine Choreografie der Sichtbarkeit – eine Mode-Revolution. In Gesellschaften, die Schwarzes Leben überwachen, kriminalisieren oder ausradieren, bedeutet Stil: Souveränität.
Wie bell hooks schrieb, Autorin und Kulturkritikerin: Stil ist niemals neutral. Es ist ein Ausdruck von Selbstverständnis – und zugleich ein politisches Werkzeug. Stil kann Herrschaft reproduzieren, aber auch infrage stellen. In der Tradition des Black Dandyism wird Mode zur Aussage: nicht angepasst, sondern entschlossen.
Der Black Dandy imitiert nicht – er*sie*ihr alle formulieren eine Haltung.
Eine Haltung, die deutlich macht: Schönheit ist nicht an Weißsein gebunden.
Stolz verlangt keine Erlaubnis. Und: Schwarze Identität/Lebensrealität – ob queer, afrikanisch, diasporisch oder widerständig – gehört nicht versteckt, sondern sichtbar gemacht.
Black Dandyism ist das langsame, trotzige Lächeln im Angesicht des Imperiums? Es ist Freiheit, getragen, nicht geflüstert. Und überall dort, wo eine Schwarze Person mit Haltung auftritt, gekleidet in einem Stil, sagt: Ich weiß, woher ich komme und wohin ich gehe – dort lebt die Revolution weiter. In jedem Revers, jeder Geste, jedem grandiosen Schritt.
Credits Images:
Cover Image
Porträt von Jean-Baptiste Belley (1797) von Anne-Louis Girodet de Roussy-Trioson, Quelle: Wikimedia Commons
Julius Soubise
Portrait Soubise in 18th-century Britain, Quelle: Lewis Walpole Library, Yale University
Bild:The Duchess of Queensberry and Soubise, Quelle: Wikimedia
Josephine Baker
Foto: Stanislaw Julian Ignacy Ostroróg, known as Walery Quelle Museum National Portrait Gallery, Smithsonian Institution
Foto: Adolf de Meyer / Quelle Museum MET
Foto: Carl Van Vechten Quelle Wiki Media Commons
Gladys Bentley
Foto: Gladys Bentley (ca. 1930), Quelle: Wikimedia Commons
Ma Rainey (1923)
(Left to right, per Getty Image crediting): Ed Pollack, Albert Wynn, Thomas A. Dorsey, Ma Rainey, Dave Nelson, and Gabriel Washington.
Quelle: Wikimedia Commons
Ignatius Sancho (1768)
Portrait: By Thomas Gainsborough
Quelle: Wikimedia Commons
Olaudah Equiano (1789)
Quelle: Wikimedia Commons
Porträt von W.E.B. William Edward Burghardt Du Bois (1919)
Foto: Battey, C. M. (Cornelius Marion),
Quelle: Library of Congres
LA SAPE
Foto: Tariq Zaidi via CNN
Quelle, The Business Standard
Janelle Monáe (2016)
Foto: NASA Public Domain Collection
Quelle: Wikimedia Commons
Über die Autorin: Gründerin von Fashion Africa Now – einer Plattform, die den Status quo in der Modeindustrie in Frage stellt und zeitgenössischen Designer:innen Gehör und Sichtbarkeit verschafft.
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